„Mama! Nur noch 9 Tage bis Weihnachten!“ Felix klebt gerade den fünfzehnten Stern an die Wand. Jeden Tag kommt ein neuer dazu. Mit seiner Schwester Anna wechselt er sich ab. Anna kommt an den geraden Tagen dran, Felix an den ungeraden. Das machen sie jedes Jahr so.
„Bis Weihnachten werden es 24 sein“, denkt er. „Aber wie soll sich das alles bloß ausgehen?“
Mama liegt immer noch unbeweglich auf der Couch. Vor einer Woche ist sie auf dem Glatteis ausgerutscht und hat sich den Fuß gebrochen. Was war das für eine Aufregung!
Die Rettung kam und hat Mama gleich einmal mitgenommen. Im Krankenhaus wurde ihr Fuß fast komplett eingegipst. Und jetzt kann sie nur auf einem Bein humpeln.
„Mama, es ist höchste Zeit, Kekse zu backen!“
„Ja, aber wie soll ich denn das machen? Ich kann doch nicht stundenlang auf einem Bein stehen und Kekse backen. Ich fürchte, wir werden einfach ohne Kekse Weihnachten feiern.“
„Weihnachten ohne Kekse?“ Felix muss nachdenken.
„Aber Mama, wie stellst du dir das denn vor?“ fragt Anna. „Wenn Oma und Opa da sind, die Kerzen am Tannenbaum brennen und wir die Geschenke auspacken. Was sollen wir denn dann essen? Nein. Das ist unmöglich. Wir brauchen Vanillekipferl und Topfenkipferl. Dann werde ich eben selbst Kekse backen. Felix hilft mir bestimmt, oder?“
Und ob Felix wollte. So schnell der Entschluss gefasst war, so schnell düsen die Geschwister in die Küche und machen sich an die Arbeit.
„Aber halt!! So geht das nicht!“ ruft Mama. „Ihr könnt das doch nicht alleine machen!“
„Geh´ Mama – wir schaffen das schon!“ ruft Felix, der gerade die Butter aus dem Kühlschrank holt.
„Wartet wenigstens, bis ich die Oma angerufen habe. Die kann euch bestimmt beim Backen helfen!“, ruft Mama und greift zum Telefon.
„Du, Oma, die Kinder wollen ganz alleine Kekse backen. Und ich kann ihnen nicht dabei helfen! Sie fangen schon ganz von alleine an. Erstens ist das zu gefährlich und zweitens, ach du meine Güte! Was glaubst du, wie sie die Küche hinterlassen werden! Und ich kann das ja auch gar nicht putzen hinterher!“ Mama klingt verzweifelt.
Leider kann die Oma aber nicht kommen. Denn die ist sehr beschäftigt. Sie muss putzen und Geschenke besorgen, vorkochen und die Tante Luise besuchen. Und zum Friseur will sie auch noch. Heute hat sie keine Zeit zu kommen. Erst am Wochenende. Und dann leider nur eine Stunde am Nachmittag.
„Aber weißt du was, ich schick den Opa, der hat nämlich eh nix zu tun!“ sagt die Oma.
Während Felix im Kochbuch nach dem passenden Kekserezept sucht, richtet Anna schon mal alles her: Mehl, Zucker, Eier, geriebene Haselnüsse und natürlich die Butter. Sie holt den Nudelwalker aus der Lade unter dem Herd und bereitet das Backpapier vor.
„Und? Wie geht´s jetzt los?“ fragt Anna Felix.
„Erst brauchen wir noch ein Rezept. Ich suche noch das Rezept mit den Vanillekipferl. Aber ich finde es nicht.“ Er blättert weiter in dem dicken Rezeptbuch.
„Dann machen wir eben Topfenkipferl. Das Rezept kenne ich auswendig. Dazu brauchen wir einen Ziegel Butter, ein Packerl Topfen und 250 Gramm Mehl.“
Während Anna schon einmal die Butter auspackt, kommt Opa bei der Türe herein. Er hat weißes Haar, das Anna schon einige Male frisiert hat. Und er zieht niemals seine Schuhe aus. Auch nicht in der Küche.
„Hallo Opa! Magst du auch Kekse backen?“ fragt Felix.
„Hmm, na ich weiß nicht. Ich esse sie lieber. Ich setz´ mich einfach hier auf den Sessel und schau euch zu.“
„Okay, aber du darfst auch Kipferl machen, wenn der Teig fertig ist!“
Felix blättert immer noch im Kochbuch. „Opa, kannst du mir sagen, wo ich das Rezept für die Vanillekipferl finde? Denn die brauchen wir unbedingt zu Weihnachten!“
„Jaja, was wäre Weihnachten ohne Vanillekipferl?“ Opa findet das Rezept ganz schnell und zeigt es Felix.
Anna und Felix sind sehr beschäftigt. Sie wiegen die Zutaten ab und kneten sie zu einem festen Teig. „So, jetzt muss der Teig rasten!“ sagt Felix und stellt ihn in den Kühlschrank.
„Und was machen wir solange?“ fragt Anna.
Opa holt die Gitarre aus dem Wohnzimmer und setzt sich zum Küchentisch. „Ich schlage vor, wir singen ein paar Lieder, bis der Teig wieder munter ist.“
Anna und Felix hören Opa gerne zu, wenn er auf der Gitarre spielt. Gemeinsam singen sie alle Weihnachtslieder, die sie kennen. „Oh, Tannenbaum“ und „Schneeflöckchen, Weißröckchen“, „Ihr Kinderlein kommet“ und „die Wi-Wa-Weihnachtsmaus“. Natürlich auch „die Weihnachtsbäckerei“. Anna wünscht sich von Opa noch das Nikolauslied, das sie sie so gerne mag, obwohl der Nikolaus schon da war.
„Das macht nichts,“ sagt Opa. „Nikolauslieder kann man das ganze Jahr über singen.“
Danach holen die Kinder die beiden Teige aus dem Kühlschrank. Anna walkt ihren Topfenteig aus und Felix beginnt, die Vanillekipferl zu formen. Nur leider ist das gar nicht so einfach.
„Mama! Der Teig will gar kein Kipferl werden! Er zerbricht dauernd!“ ruft Felix.
Anna schaut ihren ausgerollten Teig an und ruft: „Mama! Wie geht das nochmal mit den Topfenkipferl?“
Mama seufzt und denkt: „Ich hab´ gewusst, dass das ein Chaos wird!“
Da steht der Opa auf und sagt: „Warum müssen es denn eigentlich immer Kipferl sein? Wer sagt denn, dass es nicht auch Kugeln sein dürfen?“
Opa nimmt eine Handvoll Teig, knetet ihn ein wenig und rollt daraus eine lange Schlange. Dann schneidet er ein kleines Stück mit dem Messer ab und rollt den Teig in seinen Händen wie Plastilin zu einer Kugel.
Felix findet das sehr interessant. Er macht es wie Opa und in Windeseile entstehen lauter kleine Vanillekugerl. Aus der Schlange formt Felix dann doch noch Kipferl, Stangen und sogar Brezel.
„Und hier? Weißt du, vielleicht kann man einfach Kekse aus dem Teig ausstechen?“ fragt Opa Anna.
Anna holt daraufhin die Keksausstecher aus der Lade. „Das ist wahrscheinlich einfacher, aber es werden halt keine Kipferl.“
Opa findet eine sehr große runde Ausstechform. „Und was wäre, wenn aus den Kipferl einfach Taschen werden?“ Opa sticht einen großen Kreis aus dem Teig aus.
„Womit möchtest du die Taschen füllen?“ fragt er Anna.
„Marillenmarmelade! Da oben im Kasterl sollte es noch ganz viel davon geben.“ Anna steigt auf das Holzstockerl und holt ein Glas von der guten Marmelade, die Mama im Sommer gemacht hat.
Opa öffnet das Glas und Anna kleckst die Marmelade mit einem Löffel mitten auf den großen Kreiskeks. Dann legt sie den Kreis in der Mitte zusammen und drückt die Enden mit dem Finger fest. Auf der Seite quillt die Marmelade wieder raus.
„Hmm, das schaut sehr lecker aus.“ Meint Opa und sticht einige Herzen und Sterne aus dem Teig aus.
Felix schiebt inzwischen seine Kekse in den Ofen. „Wie lange dauert das jetzt?“
„Ich würde sagen, bis es gut riecht“, antwortet Anna und kümmert sich weiter um ihre Marmeladenkleckse.
„Ich habe gar nicht gewusst, dass Kekse backen so viel Spaß macht!“ sagt Opa. „Als ich ein Kind war, durfte ich meiner Mama niemals in der Küche helfen. Die hat mich immer weggeschickt. Ich glaube, ich werde noch zum Weihnachtsbäcker, so wie ihr!“
Während Felix seine fertigen Kugeln, Kipferl, Stangerl und Brezerl mit Vanillezucker bestreut, schiebt Anna ihre Taschen und Kekse in den Ofen.
„Opa! Wie schaut´s denn da aus? Mit deinen Schuhen verteilst du das ganze Mehl in der Küche!“
Opa schaut auf seine Schuhe. Tatsächlich klebt daran überall Mehl. „Aber schau DICH doch mal an! Du hast Mehl am Bauch, an den Händen und auf deiner Hose!“
Felix lacht. „Ja, so ist das eben beim Kekse Backen“, sagt Anna. „Und schau mal, Felix hat Teig im Gesicht und sogar in den Haaren!“ Jetzt müssen alle lachen. Das Mehl und der Teig haben sich in der Küche ausgebreitet.
„Am besten, wir machen das gemeinsam sauber“, meint Felix. „Anna, hol du einen Putzlappen und Opa, du holst einen Besen!“
„Und was machst du?“ fragt Anna.
„Ich wasche ab“, antwortet Felix. Damit war Anna einverstanden.
Während Opa das Mehl vom Boden kehrt, wischt Anna die Arbeitsfläche sauber und hilft Felix beim Abtrocknen.
„Hmm, ich weiß nicht, aber hier im Wohnzimmer kann ich die Kekse schon sehr gut riechen. Seid ihr sicher, dass die Kekse nicht schon zu lange im Ofen sind?“, ruft Mama vom Wohnzimmer in die Küche.
„Au weia, meine Kekse!“ Ganz schnell holt Anna ihre Kekse aus dem Ofen. Gerade noch rechtzeitig. Schön goldbraun sind sie geworden, die Kekse und Taschen, aus denen die Marillenmarmelade hervorquillt.
Felix holt den Teller mit den goldenen Sternen aus dem Schrank und legt dort Topfentaschen, Vanillekugeln und Kekse drauf. Zu dritt gehen sie damit zu Mama ins Wohnzimmer.
250 Gramm Butter, Mehl und Topfen
„So“, sagt Anna: „Hier ein paar Kekse für dich, Mama. Das sind nämlich auch Gesundheitskekse, damit es dir schnell wieder besser geht. Aber nicht alles auf einmal aufessen, sonst ist ja zu Weihnachten nichts mehr da.“
Mama steckt eine Marmeladetasche in den Mund. „Wow, die sind ja lecker! Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie bis Weihnachten halten. Ich glaube, da müsst ihr wohl noch einmal backen.“
„Kein Problem, Mama. Wir haben ja den Opa. Der ist jetzt nämlich auch ein Weihnachtsbäcker.“
„Weißt du, was Langeweile ist?“ fragte die Butter den Gemüseaufstrich.
„Langeweile? Ha, das kenne ich nicht. Mindestens dreimal am Tag werde ich rausgeholt und siehst du ja, ich werde immer weniger! Es ist wunderbar, so lecker zu sein und jedem zu schmecken!“ antwortete der Gemüseaufstrich und lachte überheblich.
„Du bist einfach nur blöd!“ sagte die Butter. Seit der Gemüseaufstrich im Kühlschrank wohnte, kümmerte sich keiner mehr um sie. Hoffentlich war er bald aufgegessen, damit Franziska und ihre Eltern wieder mehr Lust auf Butter hatten.
„Also ich weiß gut, was Langeweile ist!“ meinte die Karotte. „Ich lieg hier schon mindestens 17 Tage herum. Ich würde gerne noch was erleben, bevor ich komplett verschrumple!“
„Dann lass uns doch zusammen was unternehmen!“ schlug die Butter der Karotte vor. „Ich würde gerne mal in den Garten gehen und ein bisschen schwimmen gehen. Franziska hat schon so oft vom Schwimmbecken gesprochen. Ich will es endlich auch mal ausprobieren.“
Die Marmelade stupste den Senf an und flüsterte ihm zu: „Hast du gehört, was die vorhaben? Wie findest du das?“ Aber den Senf kümmerte das alles nicht.
Die Karotte überlegte nicht lange. Sie wanderte zur Kühlschranktüre und sah zur Butter hinauf, die auf dem obersten Regal stand. „Na dann mal los! Komm runter!“
Die Butter ließ sich von ihrem Regal plumpsen, bis sie ganz unten angelangt war. Es war nicht einfach, die Kühlschranktüre zu öffnen. Mit aller Kraft stießen sie fünfmal dagegen, bis sie endlich aufging. „Ruhe da!“ schimpfte die Zucchini in der Gemüselade.
Franziska wurde von dem Lärm wach. „Mama?“ fragte sie in die dunkle Nacht hinein. Mama lag neben ihr und schlief. „Papa?“ Papa lag auf der anderen Seite und schnarchte. „Was war denn das für ein Lärm?“ flüsterte sie ihrem Teddy zu und horchte auf weitere Geräusche.
„Weißt du, so genau habe ich das Haus noch nie betrachtet. Irgendwie bin ich noch nie aus der Küche herausgekommen.“ erzählte die Butter der Karotte.
„Ich schon, ich bin im Garten geboren!“ erzählte die Karotte stolz. Wenn du magst, kann ich dir mein Beet zeigen. Es steht gleich neben dem Schwimmbecken!“
„Warum bist du wach, Liebes?“ fragte Papa Franziska. „Kannst du nicht schlafen?“
„Ich bin wach geworden, weil die Butter und die Karotte vom Kühlschrank ausgebüxt sind, Papa! Sie wollen einen Ausflug in den Garten machen.“
„Ach so“ antwortete Papa und gähnte. „Komm, leg dich zu mir her, dann schlafen wir weiter.“
„Aber Papa, sollten wir nicht nachsehen und sie aufhalten?“
„Nein nein, morgen früh sind sie bestimmt zurück.“
Franziska legte sich in Papas Arme und sie schliefen wieder ein.
Die Butter und die Karotte waren bereits bei der Eingangstüre angekommen, schlüpften durch die Katzenklappe und schon waren sie draußen. Der Mond schien hell, es war noch warm und tausend Grillen zirpten durch die Nacht.
„Komm, ich zeige dir mein Beet!“ rief die Karotte und lief in den Garten. Die Butter blieb noch ein bisschen stehen und betrachtete die Sterne.
„Komm schon, glaubst du, ich warte ewig auf dich?“ Die Karotte rief noch einmal nach ihr und lachte. Sie hüpfte im Gras herum, lief im Kreis und machte einen Purzelbaum.
Die Butter aber ging ganz langsam durch das Gras zum Gemüsebeet. Sie bestaunte die schöne Musik, die von den Grillen kam, schnupperte am feuchten Gras und betrachtete die Gänseblümchen. Als sie endlich beim Gemüsebeet ankam, wartete die Karotte bereits ungeduldig auf sie.
„Also: hier bin ich geboren!“ Mit stolz geschwellter Brust zeigte die Karotte auf den Platz im Gemüsebeet, wo alle Karotten wuchsen. „Hier sind auch meine Geschwister.“ Die Butter suchte den Platz ab, aber alles, was sie sehen konnte, war grünes Kraut. „Wo sind sie denn?“ fragte sie die Karotte. „Na, da unten, in der Erde. Da drin wachsen sie.“
„Ach so“ antwortete die Butter. „Aber jetzt will ich endlich schwimmen gehen!“
Sie lief hinüber zum Schwimmbecken und hüpfte ohne zu überlegen ins Wasser hinein. Kurz tauchte sie unter, aber das Wasser hob sie sanft wieder auf die Oberfläche, wo sie still vor sich her schwamm. Dabei betrachtete sie die Sterne am Himmel, lauschte der Musik der Grillen und genoss die Wärme des Wassers.
Doch etwas Komisches passierte mit ihr. Es kam ihr vor, als wurde sie immer schmäler, nein, doch breiter, oder hallo, vielleicht etwas kleiner? „Was geschieht mit mir? Ich fühle mich irgendwie so schwummerig und flüssig wie das Wasser unter mir.“
„Du schmilzt!“ rief die Karotte. „Du solltest schleunigst raus aus dem Wasser!“
Die Karotte lief zum Gemüsebeet, zerrte an einer Gurke bis sie zu Boden fiel und sagte: „Du musst der Butter aus dem Schwimmbecken helfen. Sofort! Ich hole Hilfe aus dem Haus!“ Sie lief so schnell sie konnte.
Die Gurke legte sich unterdessen an den Rand des Schwimmbeckens und versuchte, der Butter aus dem Wasser zu helfen.
Im Haus angekommen, war die Karotte komplett außer Atem. Sie musste viermal tief Luft holen, bevor sie wieder etwas sagen konnte. „Hey, Brot, wir brauchen dich! Die Butter war schwimmen und jetzt wird sie immer weicher und weicher!“ rief sie auf dem Weg in die Küche.
Franziska wurde wieder wach und setzte sich im Bett auf. „Papa? – Jemand braucht dringend Hilfe!“ Doch der Papa schlief und schnarchte laut.
Das Brot allerdings hörte den Hilfeschrei der Karotte und hüpfte sofort aus seinem Korb. „Allzeit bereit!“ rief das Brot und folgte ihr hinaus in den Garten, wo die Gurke gerade damit beschäftigt war, der Butter aus dem Wasser zu helfen.
„Nur noch ein kleines Stück!“ sagte die Gurke und zog die weiche Butter aus dem Wasser. Das Brot legte sich an den Rand des Schwimmbeckens und sagte: „Komm, ich trag dich nach Hause!“
„Kannst du mich auch noch tragen? Ich bin fix und fertig!“ sagte die Gurke.
„Ich auch!“ meinte die Karotte, immer noch schnaufend.
„Aber sicher doch“ antwortete das Brot.
Die Gurke und die Karotte legten sich nebeneinander auf die Butter. Das Brot trug sie ins Haus bis auf den Küchentisch. Dort schlief auch das Brot ein
„Papa!“ Jetzt flüsterte Franziska nicht mehr. Sie rüttelte an ihrem Papa, bis er endlich aufwachte.
„Was gibt es denn, Liebes?“ fragte er. „Papa, die Butter braucht Hilfe! Sie war schwimmen und nun ist sie geschmolzen!“
„Ach so?“ fragte Papa nach. „Und woher weißt du das so genau?“
„Die Karotte hat es gesagt.“
„Na dann werde ich der Butter mal zur Hilfe eilen.“
Papa ging hinunter in die Küche, blickte nach links und nach rechts. Der Mond schien hell durch das Fenster direkt auf den Küchentisch.
„Mhhmm, wie lecker!“ dachte Papa. Er nahm das Gurken-Karotten-Butterbrot in die Hand und biss herzhaft hinein. „Es geht doch nichts über ein wirklich gutes Butterbrot“ dachte er, aß das Brot auf und ging wieder ins Schlafzimmer.
„Und, was ist jetzt mit der Butter?“ fragte Franziska.
„Alles wunderbar! Die Butter ist immer noch super lecker und seidig geschmeidig. Nur das Salz könnten sie beim nächsten Ausflug mitnehmen!“
„Endlich fertig!“ Susi stellte ihre gehäkelten Vögelchen in das Regal im Flur, in dem auch schon viele andere Tiere standen. Eine Katze, eine Giraffe, ein Hund und noch viel mehr! Susis Lieblingsbeschäftigung war es nämlich, kleine süße Kuscheltiere zu häkeln.
Da saßen sie nun. Alle fünf, fein säuberlich, Schulter an Schulter.
Susi war stolz auf ihre Vögelchen. Sie hatten brav alle Fotoshootings mitgemacht und kaum gemeckert. Und während sie ihre Tierchen betrachtete, hatte sie schon eine neue Idee: “Heute fange ich einfach mal mit einer weißen Wolle an, mal schauen, was es diesmal werden wird.“ Susi setzte sich also auf ihr Lieblingssofa, kuschelte sich in ihre warme Decke, nahm die weiße Wolle und eine Häkelnadel zur Hand und begann, die ersten Luftmaschen zu zaubern.
Die fünf Vögel saßen immer noch brav in ihrem Regal und warteten. „Worauf warten wir eigentlich?“ fragte Flora. „Ja, was genau sollen wir jetzt machen?“ fragte Eddie. „Mir ist schon ein bisschen kribbelig, ich müsste mal meine Flügel ausschütteln“ meinte Willi. „Jetzt wartet noch ein bisschen“ versuchte Arnold seine Crew zu beruhigen. „Susi hat bestimmt bald eine Aufgabe für uns.“ „Dann erzähl´ uns wenigstens eine Geschichte bis Susi wieder kommt!“ bat Euphora. „Okay, also, ähm, naja, also…es war einmal…ähem…eine…naja, eine…so eine…dingsbums…, nein, nein, nein,“ Arnold schüttelte seinen Kopf wild hin und her. „Ich bin doch nicht hier zum Geschichten Erzählen!“ Er streckte seine Brust heraus und hob stolz seinen Kopf: „Ich habe Adleraugen und bin sehr aufmerksam. Ich bin ein wachsamer Kerl mit einem großen Herz. Ich brauche eine sehr wichtige Aufgabe!“ „Also findest du, dass Geschichten Erzählen nicht wichtig ist, oder wie?“ fragte Euphora empört. „Also ich mag deine Geschichten, Euphora. Und du, Arnold, du solltest nicht so überheblich sein. Lasst uns doch friedlich sein.“ Das hätte Willi nicht sagen sollen. Eddie bekam einen Lachkrampf, Arnold wurde rot vor Wut. Euphora drehte sich in die andere Richtung und sah Flora an. „Ich halte mich da raus, mir ist alles egal. Ich hab schon Kopfweh vor lauter Langeweile.“
So ging das den ganzen Abend weiter. Die fünf Freunde stritten, bis sie sich irgendwann nichts mehr zu sagen hatten. Da saßen sie also wieder und langweilten sich zu Tode.
Vor dem Schlafengehen kam Susi mit Anna am Kuscheltierregal vorbei. Anna stellte sich auf ihre Zehenspitzen, gab jedem Tierchen einen Kuss und sagte „Gute Nacht“. Einige Kuscheltiere murmelten ein „Gute Nacht, Anna!“ zurück. Die Katze gähnte, legte sich hin und schlief gleich ein. Bald darauf schliefen auch die Giraffe und der Hund ein.
Als Anna zu Arnold kam flüsterte sie ihm ins Ohr: „Kannst du bitte in der Nacht auf meine Einhörner aufpassen? Die spielen immer so wild und ich will nicht, dass sich eines verletzt!“ Sobald das Licht abgedreht war, machte sich Arnold auf den Weg ins Kinderzimmer. „Gute Nacht allerseits, ich muss jetzt leider einen wichtigen Auftrag erledigen!“ verabschiedete sich Arnold sehr wichtig von seinen Freunden.
„Und was genau sollen WIR jetzt machen?“ fragte Eddie in die Runde.
„Also, ich geh` lesen!“ meinte Euphora und verkrümelte sich im Buchregal.
„Ich nehme ein Bad!“ antwortete Flora und wanderte ins Badezimmer.
„Ich bin mal kurz weg!“ rief Willi und flog zum Fenster raus.
„Okay, dann mix ich mir einen Cocktail!“ freute sich Eddi und machte sich auf den Weg zum Kühlschrank.
Kannst dir jetzt schon denken, was da passiert ist? Na gut, ich erzähl es dir ganz genau: Als Susi am nächsten Morgen aufstand und auf dem Weg in die Küche beim Badezimmer vorbeikam, blieb sie kurz stehen. Sie drehte sich einmal im Kreis, sah nach rechts und links und dachte bei sich: „Irgendetwas stimmt hier nicht.“ Dann blickte sie sich noch einmal um, ging einen Schritt weiter und jetzt spürte sie es: Der Boden vor dem Badezimmer war pitschnass. (So, wie ihre Zehen!) Jetzt konnte Susi sogar die kleinen Wasserlacken auf dem Flur sehen. Sie öffnete die Badezimmertüre und blieb erschrocken stehen. Die Badewanne war so vollgefüllt, dass das Wasser über den Rand lief.
Susi ging weiter. Im Wohnzimmer sah sie all ihre geliebten Bücher auf dem Boden liegen. Manche waren aufgeschlagen, andere aufgestapelt. Das Buchregal aber war so gut wie leer und Susis Ordnung dahin. Da schlug die Hände zusammen und rief: „Ach, du meine Güte! Wie schaut´s denn da aus? Anna? Hast du etwas mit diesem Chaos zu tun? Denn wenn ja, dann musst du es auch wieder in Ordnung bringen!“ rief sie. „Was ist los, Mama?“ fragte Anna, die gerade aufgestanden ist. „Ja schau dir doch mal an, wie es hier ausschaut! Hast du etwa in der Nacht gebadet?“ „Also ich war das nicht. Ich hab´ geschlafen, so wie du hoffentlich auch!“
In der Küche sah es nicht viel anders aus: Die Kühlschranktüre stand sperrangelweit offen, die Gemüselade war herausgeschoben und am Boden lagen Salatblätter und Tomaten. Auch ein Ei hatte es erwischt. Die Butterdose war gerade noch so davongekommen.
Ein Blick aus dem Fenster verriet Susi, dass jemand im Kräuterbeet gewühlt hat. „Wer hat bloß so ein Chaos veranstaltet?“ wunderte sich Susi und begann, den Kühlschrank wieder einzuräumen und den Boden sauber zu machen.
Währenddessen ging Anna zum Regal mit den gehäkelten Kuscheltieren. (Die heißen übrigens AMIGURUMI – kannst du das sagen?) Dort saßen sie alle. Die Katze, der Hund, die Giraffe, alle. Auch die Vogelcrew saß dort. Fein säuberlich, Schulter an Schulter.
„Arnold, hast du auf meine Einhörner aufgepasst?“ „Ja, Prinzessin, alles in Ordnung!“ antwortete Arnold. „Und ihr so? Was habt ihr in der Nacht gemacht?“ fragte sie die anderen Kuscheltiere. Keiner antwortete.
Euphora gähnte und schloss die Augen. Eddie rülpste. Willi schüttelte seine mit Erde verklebten Flügel aus. Flora tropfte.
„Wieso bist du nass, Flora?“ fragte Anna. – „Na, weil ich gebadet habe.“ „Aha“ sagte Anna. „Mama, komm einmal!“ rief sie. „Ich glaube, ich weiß, wer das Chaos angerichtet hat!“
„Ich habe gestern Abend Arnold gebeten, nachts auf meine Einhörner aufzupassen. Währenddessen hat Flora in der Badewanne gebadet. Ich habe gesehen, dass sie nass ist. Und hier, siehst du, hier kann man ihre nassen Fußspuren sehen!“ Anna zeigte auf die nassen Flecken im Regal. „Und ich glaube, dass Eddie den Kühlschrank geplündert hat, denn er hat gerade ganz laut gerülpst. Und vermutlich hat Euphora die ganze Nacht mit deinen Büchern verbracht, denn jetzt ist sie ganz müde, siehst du?“
Susi war erst einmal sprachlos. Sie hatte so viele Fragen im Kopf. Wieso machten sie so etwas? „Aber ihr seid doch in erster Linie Kuscheltiere. Sollten Kuscheltiere nicht einfach im Regal sitzen und warten, bis sie zum Spielen geholt werden?“ (Was meinst du dazu?)
„Warten. Warten. Warten.“ äffte Eddie Susi nach. Jetzt redeten alle gleichzeitig: „Nix da warten“ (Flora) – „Ausgewartet!“ (Willi) – „Wer wartet, der altert!“ (Euphora)
„Okay, okay, okay.“ Susi stoppte die aufgeregte Vogelcrew mit einem Handzeichen. „Anna, vielen Dank, dass du diesen Chaos-Fall aufgeklärt hast. Ihr sehe, seid sehr aufgebracht. Ich denke, wir sollten alle mal in Ruhe miteinander reden. Einer nach dem anderen, okay?“
Arnold ergriff als erster das Wort. Während er sprach, ging er ein paar Schritte: „Susi“ begann er „du hast uns so schön gemacht. Aber weißt du, ich denke, also ich meine, ICH brauche eine Aufgabe. Erst waren da die Freunde, die du mir gemacht hast. Da konnte ich dabei sein und dir sagen, was mir gefällt. Dann waren da die spannenden Fotoshootings. Tja, und dann…naja, und dann warst du wieder mit der Wolle beschäftigt und wir haben im Regal gewartet. Und warten ist eben mega-laaaangweilig!“
„Also mir ist es eindeutig zu warm hier im Regal.“ warf Eddie ein. „Ich muss einfach hin und wieder fliegen und nach schönen Blumen Ausschau halten.“ meinte Willi. „Und ich brauche Wasser. Wasser und hmm, naja, Wasser eben“ sagte Flora. „Also ich brauche nur ein paar Bücher zur Inspiration für meine Geschichten“ rief Euphora dazwischen.
Susi rieb sich mit beiden Händen einmal über das Gesicht und staunte: „Das habe ich ja noch nie erlebt. Also gut, ich lasse mir etwas einfallen.“
Als Susi mit Anna beim Frühstück saß, seufzte sie laut. „Ich hab´ einfach null Idee, wie ich diese Vögel beschäftigen kann.“ „Mama, was hältst du davon, wenn ich sie mit in den Kindergarten nehme? Dort könnte Arnold helfen, auf die Kinder aufzupassen. Euphora könnte ihre Geschichten erzählen und es gibt viele Bücher dort. Willi kann dort Blumen basteln und sich ums Blumenbeet kümmern. Hmm, Eddie,…für Eddie und Flora finden wir bestimmt auch eine Beschäftigung.“ „Oh, das ist ja eine wunderbare Idee, Anna! Am besten fragen wir sie mal, was sie davon halten!“
Und so kam es, dass Anna die ganze Vogelcrew in ihren Rucksack packte und mit in den Kindergarten nahm. Arnold war begeistert. Endlich konnte er herumfliegen und mit seinen Adleraugen auf die vielen Kinder aufpassen. Willi kümmerte sich mit Begeisterung um das Blumenbeet und rupfte Unkraut aus. Euphora las den Kindern Geschichten vor.
Du fragst dich bestimmt, welche Aufgabe Eddie und Flora gefunden haben, oder? Ich verrate es dir: Eddies liebster Platz war die Sandkiste. Dort war es schön kühl und außerdem war dort immer was los. Flora verbrachte den ganzen Vormittag beim Wassertisch im Garten. Den Schminktisch und den Frisiertisch hatte sie noch gar nicht entdeckt.
Als Susi die Vogelcrew nach dem Kindergarten ins Regal stellte, waren sie alle supermüde. Eddie schlief sofort ein, Euphora fielen auch schon die Augen zu. Flora streckte gemütlich ihre langen Beine aus und Eddie gähnte. „Dürfen wir morgen wieder mit in den Kindergarten?“ fragte Arnold mit letzter Kraft. „Aber sicher doch.“ antwortete Susi und lächelte.
„Und was machen wir jetzt mit all diesen Luftballons?“ fragt Mama.
„Wir lassen sie einfach hängen, bis allen die Luft ausgegangen ist.“ antwortet Papa.
„Nein, das mag ich nicht. Immerhin sind es meine Geburtstagsluftballons!“ Nico verschränkt trotzig seine Hände vor der Brust. Seit vier Tagen schon hängen sieben bunte Luftballons auf der Terrasse. Sein Onkel Christoph hat sie ihm zum Geburtstag geschenkt. Er hat auf jeden einzelnen eine Zahl geschrieben und für Nico am Terrassengeländer befestigt.
Der blaue mit der Nummer 4 schaut irgendwie schon schrumpelig aus. Der rote mit der Nummer 1 ist auch schon etwas kleiner als die anderen.
Onkel Christoph ist schon wieder abgereist. Er arbeitet weit weg. Nämlich in Saudi-Arabien. Kennst du das? Da muss man stundenlang mit dem Flugzeug hinfliegen. Aber jedes Jahr besucht Onkel Christoph Nico zum Geburtstag.
Nico mag seinen Onkel sehr. Wenn Christoph kommt, ist alles anders. Er kümmert sich ausschließlich um Nico. Der Onkel baut die besten Legohäuser, erzählt ihm Geschichten aus Saudi-Arabien und was Onkel Christoph am besten kann: er schwimmt mit Nico am Rücken durch den ganzen Stausee!
„Also, was möchtest du denn mit den Luftballons machen? Hast du eine Idee?“ fragt Mama nochmal.
Aber Nico hat leider keine Idee.
Nach dem Essen geht Nico zu seinem Opa. Das ist nicht weit, nur am anderen Ende vom Garten.
„Du, Opa, hast du eine Idee, was ich mit Onkel Christophs Luftballons machen könnte? Ich mag nicht, dass ihnen die Luft ausgeht. Am liebsten wäre mir, sie würden immer auf der Terrasse hängen bleiben, damit sie mich immer an Onkel Christoph erinnern.“
„Ja, das wäre schön. Ich kenne leider keine Luftballons, denen nicht irgendwann die Luft ausgeht.“ sagt Opa.
„Weißt du, was ich einmal gemacht habe, als ich noch ein Kind war?“ fragt Opa.
„Nein. Aber du erzählst es mir sicher gleich.“ antwortet Nico. Wenn Opa anfing, von seiner Kindheit zu erzählen, bekam Nico Gänsehaut. Denn er liebte diese Geschichten. Wild waren sie und aufregend. Manchmal wünschte er sich, Opas Bruder zu sein und mit ihm all die abenteuerlichen Dinge zu erleben, von denen Opa erzählte.
Opa wuchs auf einem Bauernhof in den Bergen auf. Einmal musste er im Sturm ein Lämmchen suchen, das verloren gegangen war. Nicos Lieblingsgeschichte aber war die, als Opa einen Schatz gefunden hat.
„Also“ beginnt Opa zu erzählen: „als ich klein war, bekam ich einmal einen Luftballon geschenkt, der mit Helium befüllt war. Ein Zirkus war im Dorf und jemand von den Zirkusleuten drückte mir Bella einfach in die Hand. Lass mich nachdenken, wer das war…“
„Bella?“ fragt Nico erstaunt
„Ja, Bella, so nannte ich meinen Luftballon. Sie hatte große rote Lippen und riesige Augen mit Wimpern dran. Ihre Wangen waren rot und ihr Gesicht vornehm weiß. Sie war eine Schönheit, deshalb hieß sie Bella. Ich war so stolz auf sie. Niemand hatte so einen wunderschönen Luftballon im Ort. Ich band sie ganz fest am Lattenzaun fest. Dort tanzte sie im Wind und ich konnte ihr dabei von meiner Stube aus durchs Fenster zusehen.“ Opas Augen sahen in die Ferne. Er seufzte einmal tief, sah dann Nico an und lächelte.
„Und was ist mit Bella passiert?“ fragt Nico nach.
Opa seufzte noch einmal tief, überlegte kurz und sagte dann: „Ich hab´ sie auf Reisen geschickt. Irgendwann hat sie mir leidgetan. Tagein tagaus flatterte sie da im Wind, immer an der gleichen Stelle. Ich glaube nicht, dass sie das glücklich machte. Also hab´ ich eines Tages meinen Namen und meine Adresse auf einen Zettel geschrieben. Den habe ich dann an ihre Schnur geknotet und ihr gesagt, sie solle einen schönen Gefährten finden, mit dem sie gemeinsam im Wind tanzen könnte.“
Jetzt lachte er und sah Nico direkt in die Augen. „Ich hab´ sie losgebunden, bin ein Stück mit ihr gelaufen und dann hab ich sie einfach losgelassen.“ Opa zeigt mit der Hand zum Himmel: „Sie flog hoch, so hoch, dass ich sie bald nicht mehr sehen konnte. Zum Abschied rief ich laut: ,Ciao, Bella!`“
Das gefällt Nico. Gemeinsam rufen sie in den Himmel: „Ciao Bella, Ciao Bella, Ciao Bella…!“
Dabei breitet Opa seine Hände weit aus, immer lauter ruft er, bis er schließlich anfängt, zu lachen. Er lacht und lacht, dass er sich den Bauch halten muss. Und Nico lacht mit.
„Du, Opa“ fragt Nico, als sich beide ein wenig beruhigt haben. „Warum hast du deinen Namen und deine Adresse auf den Zettel geschrieben?“
„Na, damit mir derjenige, der Bella findet, eine Nachricht hinterlassen kann. Eine Nachricht, wo er sie gefunden hat.“
„Und?“ fragt Nico. Gespannt wartet er auf Opas Antwort. Hat er denn eine Nachricht erhalten?
„Nein. Leider habe ich nie eine Nachricht erhalten. Wahrscheinlich hat sich jemand in Bella verliebt und hatte Angst, ich würde sie zurückhaben wollen.“ Er zwinkerte mit einem Auge Nico zu und grinste schelmisch.
Wieder zu Hause geht Nico sofort auf die Terrasse und schaut sich seine Luftballons an. Sieben Stück. Nico begutachtet seine Ballons sehr genau. Mit der Hand überprüft er ihre Festigkeit. Er stellt sich jeden Ballon mit Bellas Gesicht vor.
Nummer zwei: gelb und riesig – nein, gelb auf gar keinen Fall
Nummer drei: weiß, noch fest – könnte gehen
Nummer vier: blau, verschrumpelt – unbrauchbar
Nummer fünf: grün, mittelfest – grüne bella?
Nummer sechs: rosa, groß und fest – auch gut
Nummer sieben: lila, eher klein und weich – nein
Nico entscheidet sich für den weißen Ballon. „Ihre Haut war vornehm weiß“, hat Opa gesagt.
Er holt die wasserfesten Stifte aus Papas Schreibtisch, ein Stück Briefpapier und einen Kugelschreiber.
Mit den wasserfesten Stiften malt Nico dem weißen Ballon riesige Augen mit dichten Wimpern auf, Augenbrauen und eine kleine Nase. Er malt einen vollen rosaroten Mund und rosa Wangen. Auf ihren Hinterkopf schreibt er ihren Namen.
Seine Bella ist wunderschön geworden!
Auf das Briefpapier schreibt er seinen Namen, seinen Nachnamen und seine Adresse. Er faltet das Papier ganz klein, bindet Bellas Schnur drumherum und verknotet sie fest. Damit er eine Nachricht bekommt, wenn jemand Bella gefunden hat.
Dann geht er mit seiner Bella in der Hand zu Opa. Der staunt nicht schlecht, als er Bella sieht. Er schlägt sie Hände zusammen, klatscht laut und lacht dabei. „Ja Grundgütiger, sag mir ja nicht, dass du meine Bella gefunden hast!“
„Nein, Opa, das ist meine Bella!“
„Ohja, und sie ist genauso schön, wie meine Bella damals!“
„Wollen wir sie gemeinsam fliegen lassen?“ fragt Nico.
Opa nickt. Nico hält Bella hoch in die Luft und ruft:
„Ciao Bella!“
Opa stimmt mit ein. Und während Bella immer höher und höher in den Himmel steigt, rufen die beiden siebzehn Mal hintereinander: „Ciao Bella, Ciao Bella, Ciao Bella, Ciao Bella, Ciao Bella, Ciao Bella, Ciao Bella, Ciao Bella, Ciao Bella, Ciao Bella, Ciao Bella, Ciao Bella, Ciao Bella, Ciao Bella, Ciao Bella, Ciao Bella, Ciao Bella!“ So lange, bis ihnen die Luft ausgeht und sie sich vor lauter Lachen die Bäuche halten.
Vier Wochen später ruft Mama Nico aus seinem Zimmer. „Du hast Post bekommen!“
„Post? Ich? Ich bekomme nie Post!“ antwortet Nico erstaunt.
Mama reicht ihm einen weißen Briefumschlag mit rotem und blauem Rand. Auf dem Umschlag ist eine grüne Briefmarke. Auf dem Poststempel stehen Buchstaben, die er nicht lesen kann.
Langsam öffnet er den Briefumschlag und faltet den Brief auseinander. Die Schrift ist sehr schwierig zu lesen…
„Kannst du noch mein Schnitzmesser einpacken?“ fragte Emil seinen Papa, der gerade dabei war, die Äpfel in den Rucksack zu legen. „Und Papa, du weißt schon, dass wir auch Kekse für unseren Ausflug brauchen, oder?“ „Kekse?“ fragte Papa.
„Ja, denn ohne Kekse kann ich nämlich nicht so lange Rad fahren. Und stell dir vor, wir müssten einfach umdrehen, weil ich vor lauter Hunger vom Rad falle!“ antwortete Emil.
„Also gut, dann auch Kekse“ sagte Papa und schmunzelte ein wenig.
Papa packte also 2 Äpfel, eine kleine Packung Butterkekse und das Schnitzmesser in den Rucksack. „Noch etwas?“ fragte er Emil, doch dieser schüttelte den Kopf und meinte: „Nein, ich glaube, wir können jetzt los.“
Es war Sonntag. Und Mama sagt immer, dass Sonntage für Ausflüge da waren. Aber Mama war sehr beschäftigt mit der kleinen Lina, die ständig gefüttert werden wollte. „Lange Ausflüge sind für Lina noch zu anstrengend,“ sagte Mama.
Und deshalb machten sich Papa und Emil heute alleine auf den Weg in den Wald mit den Fahrrädern. Das Wetter war wunderbar sonnig, aber nicht zu heiß. Emil freute sich schon die ganze Woche auf diesen Tag. Er liebte Ausflüge mit seinem Papa. Seine kleine Schwester Lina blieb bei Mama und er hatte seinen Papa ganz für sich alleine.
Die beiden holten die Räder aus der Garage und machten sich auf den Weg. Sie fuhren die Feldstraße entlang und bogen dann in den Waldweg ein. Der Weg war ein wenig anstrengend. Immer wieder ging es auf und ab. Emil machte das nichts aus, er war ein schneller Fahrradfahrer. Aber Papa ging immer wieder die Puste aus und dann rief er: „Emil, nicht so schnell, warte doch auf mich!“
Emil wartete immer auf seinen Papa. Denn immerhin wollte er ja nicht alleine Rad fahren, sondern gemeinsam mit ihm. Und als er wieder einmal auf seinen Papa wartete, fiel Emil ein, dass ganz schön durstig war. „Papa, ich hab´ Durst!“ „Ojeh, ich fürchte, wir haben kein Wasser eingepackt!“ antwortete Papa. Sicherheitshalber durchsuchter er dennoch den Rucksack. „Nein, definitiv kein Wasser.“
„Und was machen wir jetzt?“ fragte Emil.
„Sollen wir umdrehen und nach Hause radeln?“ fragte Papa Emil.
„Nein.“
„Magst du einen Apfel essen gegen den Durst?“ fragte Papa Emil.
„Nein.“
„Dann müssen wir eben Wasser suchen. Ich bin sicher, es gibt da hinten einen kleinen Bach, dort können wir hinradeln.“ „Gute Idee!“ rief Emil, setzte sich wieder auf sein Fahrrad und trat in die Pedale.
Tatsächlich fanden sie nach einigen Minuten einen kleinen Bachlauf unter dem Waldweg. Sie stellten die Räder auf dem Weg ab und stiegen die steile Böschung zum Wasser hinab.
Unten angekommen, formte Emil seine Hände zu einer kleinen Schüssel und fing damit das Wasser ein, um es zu trinken. „Ah, lecker, aber urkalt!“ rief Emil Papa zu. Papa setzte sich auf einen umgeschnittenen Baumstamm und nahm einen Apfel aus dem Rucksack. „Jetzt will ich auch einen Apfel“, sagte Emil und biss gleich herzhaft hinein. Mit dem Apfel in der Hand ging er den Bach entlang.
Im Wasser lagen viele Steine, große, kleine, runde und eckige. An manchen Stellen war das Wasser ein bisschen tiefer und weiter drüben war sogar ein kleiner Wasserfall. Dort ging Emil hin und sah sich die Steine ganz genau an. Riesengroße Steine bildeten das Ufer. Sie lagen übereinander und manche waren mit Moos bewachsen.
Emil zog seine Schuhe aus, dann die Socken, krempelte sich die Hosenbeine hoch und stieg ins Wasser. Ah, wie kalt das war! Erst war es so kalt, dass er am liebsten schreien wollte, aber dann, nach kurzer Zeit schon, gewöhnte er sich an die Kälte und watete weiter durch den Bach.
Und hier, ganz plötzlich, sah er, dass sich etwas zwischen den Steinen bewegte. Er blieb stehen und rührte sich nicht. Und jetzt konnte er ihn sehen! Ein Feuersalamander spazierte zwischen den Steinen am Ufer des Wassers entlang. Er war schwarz und hatte kleine gelbe Flecken auf seinem Körper. Und klein war er. Ganz langsam bewegte er sich. Ein Schritt nach dem anderen.
„Papa!“ rief Emil. „Schau mal, ein Salamander!“ Schnell wie der Blitz war Papa bei ihm, aber er konnte den Salamander nicht sehen. „Wo?“ fragte Papa.
„Na da, zwischen den Steinen!“
Langsam, ganz langsam bewegte sich der Salamander und verschwand schließlich unter einem großen Stein, sodass ihn Emil nicht mehr sehen konnte.
Er setzte sich ans Ufer auf einen Stein, aß seinen Apfel und wartete, bis der Salamander wieder herauskam. Aber der kam nicht wieder. Und Emil konnte ihn auch gar nicht mehr sehen. Was wohl da unter den Steinen war?
Waren da seine Salamanderfreunde und seine Salamanderfamilie?
„Ich werde ihn Alexander nennen. Alexander reimt sich auf Salamander. Das gefällt mir.“
Emil holte sein Schnitzmesser aus dem Rucksack und begann damit, einem Stock die Rinde ab zu schnitzen. Währenddessen saß Papa auf seinem Baumstamm und sah dem Wasser beim Fließen zu.
„Ich könnte Ewigkeiten dem Wasser beim Fließen zusehen.“ meinte Papa.
„Ja, das ist schön.“ antwortete Emil und schnitzte weiter.
Als er die Rinde von dem kleinen Stock geschnitzt hatte, entdeckte er ein größeres Stück Holz. In dieses Stück bohrte er mit seinem Messer ein kleines Loch, gerade so groß, dass der Stock hineinpasste. Er steckte den Stock in das Holz, legte es ins Wasser, gab ihm einen kleinen Schubs und flüsterte: „Das ist für dich, Alexander Salamander, falls du mal ein Boot brauchst.“
Emils Boot strandete am Ufer auf einem kleinen Stein.
„Kann ich jetzt die Kekse essen, Papa?“ Emil ging zu seinem Papa und setzte sich neben ihn. Da saßen sie, aßen Kekse und schauten gemeinsam ins Wasser. „Schön ist das. Gemeinsam mit dir hier zu sitzen und ins Wasser zu schauen“, sagte Papa.
„Ja, schön ist das“, meinte Emil. „Ich wünsche mir, dass Alexander noch einmal hervorkommt.“
„Ja, das wäre auch schön“, antwortete Papa.
Emil schnappte seine Kekse und watete noch einmal durchs kalte Wasser. Er brach seinen Keks entzwei und legte das größere Stück auf sein Boot. „Das ist für dich, Alexander Salamander, falls du mal einen Keks brauchst. Damit du nicht vor Hunger aus dem Boot fällst“, flüsterte er.
Dann hockte er sich wieder in die Nähe des Steins, unter dem er den Feuersalamander zum letzten Mal gesehen hatte.
Und nur einen klitzekleinen Moment später, kam der Feuersalamander wieder aus seinem Versteck hervor. Langsam, ganz langsam bewegte er sich vorwärts. Er kroch über die Steine und wanderte dorthin, wo Emils Boot lag.
Und jetzt stell dir vor, was Alexander gemacht hat! Er kroch ganz langsam auf das Boot, legte sich auf den Keks, sah Emil an und flüsterte: „Danke!“
Emils Augen wurden riesengroß, er wusste nicht, ob er träumte oder nicht. Hat sich gerade ein Feuersalamander bei ihm bedankt?
Alexander Salamander begann, ein wenig mit seinen Füßen zu paddeln und das Boot in die Mitte des Baches zu lenken. Dort zog ihn die Strömung mit, er flitzte mit seinem Boot den kleinen Wasserfall hinab und fuhr davon.
Und Emil? Der konnte es immer noch nicht glauben. Er lief zu seinem Papa und erzählte ihm sehr aufgeregt, dass gerade ein Feuersalamander mit seinem Boot davongefahren ist. „Und weißt du was, Papa? Er hat zu mir Danke gesagt! Stell dir vor, er hat sich bei mir bedankt für das Boot und den Keks!“
„Ach ja? Ich wusste schon immer, dass Salamander sehr nette Wesen sind. Vielleicht ein bisschen schüchtern, aber höflich.“
Das war die Geschichte, wie der Feuersalamander Alexander zu seinem Namen, einem Boot und einem Keks kam. Du willst wissen, wo Alexander hingefahren ist? Na, er hat eine Waldreise gemacht, denn davon hat er immer schon geträumt. Er hat unzählige wunderbare Plätze gesehen und viele andere Wesen kennengelernt. Und weißt du, was er noch gemacht hat? Auf seiner Reise hat er erfahren, dass alle Boote und Schiffe einen Namen haben sollten. Also hat er seinem Boot auch einen Namen gegeben: Emil
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