„Immer, wenn ich Uno spiele mit meiner Enkeltochter (5 Jahre), sucht sie sich heimlich die Karten aus dem Stapel, die sie brauchen kann. Ich muss nur kurz wegschauen und schon ergreift sie die Gelegenheit. Letztens habe ich mich deshalb so geärgert, dass ich zu ihr gesagt habe, dass ich so nicht mehr mit ihr spielen will!„
Letztes Wochenende hatte ich die wunderbare Möglichkeit, mit drei Omas zu plaudern, sie durchs Storchennest zu führen und ein bisschen Einblick zu bekommen ins Oma-Sein. So einfach ist das nämlich gar nicht. Da ist es umso feiner, wenn frau die Möglichkeit hat, in die Welt ihrer Enkelkinder einzutauchen.
Warum wollen Kinder mit Erwachsenen Gesellschaftsspiele spielen?
Im Kindergarten im Storchennest, in dem das freie Spiel vorherrschend ist, beobachte ich kaum Kinder, die miteinander Gesellschaftsspiele unter strikter Einhaltung der Regeln spielen. Auch, wenn wir bekannte Spiele anbieten, werden sie in erster Linie angeschaut, vielleicht auch gemeinsam ausprobiert. Als Spielregeln werden dann jeweils die Aktionen definiert, die dem jeweiligen Kind gerade jetzt einfallen. Das Regelspiel wird oft zum Rollenspiel oder Kleine Welt Spiel. Wenn Kindergartenkinder untereinander ohne erwachsene Einmischung spielen, gibt es keine Regeln. Jeder spielt so, wie es seinen Bedürfnissen entspricht.
Der Wunsch, mit Erwachsenen zu spielen entspringt wohl eher dem Bedürfnis nach gemeinsamer Aktivität, denn nach dem Spiel selbst. Egal was, Hauptsache, wir machen etwas miteinander. Und weil Erwachsene nun mal gerne Regeln haben, spielen wir gerne Regelspiele.
Vielleicht denkst du jetzt: „Aber es ist wichtig, dass Kinder Regeln lernen!“
Das sehe ich genauso. Der ganze Tag ist gefüllt mit Regeln, Rhythmen und Ritualen. Erwachsene stellen Regeln und Strukturen auf, an die sich Kinder auch halten (wir tun einander nicht weh, wir sitzen beim Essen bei Tisch, usw.), weil sie ihnen eine wichtige Orientierung geben.
Gründe, warum Kinder beim Spielen schummeln
Das Wort „Schummeln“ ist in unserem Sprachgebrauch negativ behaftet, hat aber auch etwas Schelmenhaftes an sich. Ein Schummler ist kreativ und gewitzt und weiß, wie er sein Gegenüber austricksen kann.
Diese Beschreibung deckt sich nicht mit meinem Bild vom Kind. Ein Regelverstoß, ein Schummeln, eine Überschreitung hat immer einen Grund. Kinder wollen uns mit dem Schummeln keinesfalls verärgern. Vielmehr sagen sie uns damit, dass das Spiel für sein Entwicklungsalter oder seine Tagesverfassung gerade ungeeignet ist oder unser Verhalten sie zum Schummeln auffordert.
1) Das Kind versteht die Sinnhaftigkeit der Regeln noch nicht
Im Stadium des „egozentrischen Regelverständnisses“ unterwirft sich das Kind strikten Regelvorgaben, die von Erwachsenen gemacht werden. Im Vorschulalter hat das Kind also zunächst noch kein Regelbewusstsein. Etwa ab dem Grundschulalter fühlt das Kind eine innere Verpflichtung gegenüber Regeln. Es wird ihm zunehmend wichtiger, dass jeder Mitmensch die vorgegebenen Regeln einhält. So nehmen auch Regelspiele im Alter von 6-10 Jahren zu. Etwa ab dem 10. Lebensjahr versteht das Kind die Regeln als soziale Abmachungen, die selbst festgesetzt und verändert werden können.
Das Regelspiel ist eine Spielform, die Jugendliche und Erwachsene unter sich wählen.
2) Der Verstoß gegen die Regel ist ein soziales Lernfeld
Als ich über dieses Thema nachgedacht habe, fiel mir ein, dass mein Sohn bei einem bestimmten Spiel (Biberbande) immer geschummelt hat. Und zwar nur, als er das mit seinem Papa spielte. Wenn er mit mir spielte, hat er das nicht gemacht. Also habe ich ihn einfach mal gefragt, ob er sich daran erinnern kann und warum er das gemacht hat.
„Es war einfach lustig! Weil der Papa das nie bemerkt hat, habe ich es immer wieder gemacht. Ich hab mir gedacht, irgendwann MUSS er es ja merken!“
Gegen eine Regeln zu verstoßen, hat also auch etwas Lustvolles. Was passiert, wenn ich erwischt werde? Und wer reagiert dann wie? Ist es meinem Mitspieler egal, oder ärgert er sich?
Kinder wägen ab, welche Grenzüberschreitung bei wem welche Reaktion hervorruft. Das gehört zum Erlernen sozialer Kompetenzen. Merke ich also, dass Oma immer wieder verärgert reagiert, kann es sein, dass das meine Lust noch steigert, um ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu bekommen. Immerhin wollten wir ja gemeinsam etwas machen, also warum guckst du jetzt weg, liebe Oma?
3) Verlieren ist einfach blöd!
Ich liebe es, Gesellschaftsspiele mit meiner Familie zu spielen, aber eines mag ich gar nicht: Verlieren.
Vor allem bei Spielen, die vom Zufall abhängen: würfeln, Karten – UNO zum Beispiel. Es gibt kaum eine Strategie, die ich mir ausdenken könnte, die meine ist, um dieses Spiel zu gewinnen. Nein, ich bin davon abhängig, welche Karten ich ziehe. Und wenn die blöd sind, dann verliere ich – kann man eben nichts machen.
Wer also nicht verlieren will, wird kreativ: dann nutze ich eben die Möglichkeit, wenn mein Mitspieler mal kurz wegschaut, um mein Kartendeck etwas zu verbessern.
Diese Kreativität ist durchaus positiv zu bewerten. „Ich lasse mich nicht unterkriegen und tue alles, um am Ende doch Erster zu sein.“ Das ist in Wirklichkeit nur menschlich, denn ganz ehrlich: wer das nicht in sich hat, wäre nicht geboren worden!
Verlieren ist schambehaftet und ich hinterfrage gerne den Satz: „Kinder müssen auch verlieren lernen!“ Nein, müssen sie nicht, ich übrigens auch nicht. Wenn mir ein Spiel keinen Spaß macht, dann höre ich auf. Wenn es mir Spaß macht, dann stört mich auch das Verlieren nicht.
Also wie ist das mit dem Verlieren lernen? Was ich daraus lerne ist, dass ich nicht gut genug bin, dass ich zu klein, zu tollpatschig, zu unerfahren bin. Für junge Kinder werden hauptsächlich Glücksspiele angeboten, weil sie noch keine besondere Strategie verfolgen können. Und gerade hier ist das Verlieren frustrierend, weil man eben vom Glück abhängig ist. Außer bei Gedächtnisspielen (Memory) vielleicht, aber hier sind die Kinder meist klar im Vorteil.
Etwas anders empfinde ich das persönlich bei einem Strategiespiel, die meist ab 8 Jahren angeboten werden. Wenn ich bei einem Strategiespiel verliere, dann habe ich die Möglichkeit, meine Strategie zu überdenken, beim nächsten Mal anders zu spielen, daraus zu lernen. Dann hat das Verlieren einen motivierenden Charakter.
Was kann ich tun, wenn mein Kind beim Spielen schummelt?
Wenn du dein Kind immer wieder dabei ertappst, dass es beim Spielen schummelt, dann solltest du ihm das nicht krumm nehmen. Beobachte vielmehr, ob das Spiel für sein Alter schon geeignet ist. Und ob es Regeln bereits einhalten kann, bzw. selbst einfordert, oder es ihm noch schwer fällt. Spielregeln einzuhalten ist weit weniger wichtig, als Regeln des Zusammenlebens einzuhalten. Bei einem Spiel kommt keiner zu Schaden. Deine eigenen Reaktionen und Gefühle kannst du benennen und daraus Konsequenzen ziehen.
Hier einige Möglichkeiten, wie du Spiele verändern kannst:
1) Erfinde eine kooperative Spielvariante
Aus jedem Gesellschaftsspiel lässt sich mit Leichtigkeit ein kooperatives Spiel machen, um das Gewinnen und Verlieren aus der Situation zu verbannen. In einer kooperativen Variante spielen alle Mitspieler gegen das Spiel. Gewinner ist also entweder das Spiel, oder die Spielenden.
Bleiben wir beim Beispiel UNO. Die gemeinsame Aufgabe könnte lauten:
- Wir müssen den ganzen Stapel an Karten so ablegen, dass alle aufeinander passen. Es dürfen nur (z.B.) 10 Karten übrigbleiben. Wenn jemand keine Karten mehr auf der Hand hat, darf er wieder sieben nachziehen.
2) Passe die Regeln an eure Bedürfnisse an
Wenn du bemerkst, dass das Kind mit den vorgegebenen Regeln überfordert ist, kannst du die Regeln gemeinsam mit dem Kind anpassen. Sprecht miteinander und überlegt, wie euch das Spiel besser gefallen würde. Zum Beispiel könntet ihr euch ausmachen, dass Aktionskarten reduziert werden. (z.B. keine +4 Karten im Deck)
3) Schummeln erlaubt!
Spielt doch einmal ein Spiel, in dem jegliche Art von Schummeln erlaubt ist! Das auszuprobieren kann durchaus lustig sein. Je nachdem, wie alt dein Kind ist, kann ein ausgemachtes Schummelspiel zu einem ganz neuen Spiel werden, in dem es veränderte, neue Regeln gibt.
4) Nimm es mit Humor!
Wenn du dein Kind beim Schummeln ertappst, kannst du in dich hineinhorchen, was das mit dir macht. Wirst du wütend? Fühlst du dich betrogen? Gehe deinem Gefühl nach und versuche herauszufinden, woher es kommt. Wurdest du als Kind beschummelt? Oder war vielleicht Schummeln ein absolutes NoGo und du hast deine Mitspieler damit verärgert?
Wenn du herausfinden kannst, woher deine Emotionen kommen, ist es einfacher, sie ziehen zu lassen. Dann ist es auch einfacher, das Schummeln deines Kindes mit Humor zu nehmen.
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